Eine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes ist keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines Morbus Crohn mit schwerer Auswirkung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat auf Anfrage des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen eine Stellungnahme zur Auslegung von Teil B, Ziffer 10.2.2 VMG abgegeben. Danach sind die in Teil B, Ziffer 10.2.2 VMG aufgeführten Symptome als Regelbeispiele zu verstehen und nicht abschließend (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juni 2014 – L 13 SB 371/13)
Schon eine bestehende Therapiebedürftigkeit mit Adalimumab (Humira©) in Verbindung mit der immunsuppressiven Therapie mit Azathioprin führt dazu, dass von einem Morbus Crohn mit schwerer Auswirkung ausgeht. Denn aufgrund der nicht selten auftretenden schweren Nebenwirkungen einer TNF-alpha-Therapie besteht die Zulassung hierfür nur bei einem aktiven und schwergradigen Morbus Crohn, wie sich aus der Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ (Ergebnisse einer Evidenz-basierten Konsensuskonferenz der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten zusammen mit dem Kompetenznetz chronisch entzündliche Darmerkrankungen) aus dem Jahr 2008 ergibt
SG Hannover 25. Kammer
  24.07.2014  
  S 25 SB 556/12
Persistierende Durchfälle, die im Durchschnitt dreimal täglich, zu Spitzenzeiten bis zu siebenmal täglich, aber auch unter ausreichender Behandlung nur einmal täglich auftreten können und teilweise mit Analspasmen und Schmerzen im Analbereich, einer leichten Inkontinenz sowie einem Analekzem verbunden sind, können mit einem GdB von 40 bewertet werden, auch wenn keine Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes vorliegt.
Bayerisches Landessozialgericht 2. Senat
  25.04.2018 
  L 2 SB 199/17
Zöliakie, Sprue
ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter diätetischer
Therapie
20
bei andauerndem, ungenügendem Ansprechen auf glutenfreie Kost (selten)
sind – je nach Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustands –
höhere Werte angemessen.
Nach Entfernung maligner Darmtumoren
ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren
nach Entfernung eines malignen Darmtumors im Stadium (T1 bis T2)
N0 M0 oder von lokalisierten Darmkarzinoiden
mit künstlichem After (nicht nur vorübergehend
angelegt)
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren
nach Entfernung anderer maligner Darmtumoren
mit künstlichem After (nicht nur vorübergehend angelegt)
mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende
schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und
Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie)
Fisteln, Stenosen, postoperative Folgezustände (z.B. Kurzdarmsyndrom,
Stomakomplikationen), extraintestinale Manifestationen (z.B. Arthritiden), bei
Kindern auch Wachstums- und Entwicklungsstörungen, sind zusätzlich zu
bewerten.
10.2.3 Bauchfellverwachsungen
ohne wesentliche Auswirkung
mit erheblichen Passagestörungen
mit häufiger rezidivierenden Ileuserscheinungen
10.2.4 Hämorrhoiden
ohne erhebliche Beschwerden, geringe Blutungsneigung
mit häufigen rezidivierenden Entzündungen, Thrombosierungen
oder stärkeren Blutungen
Mastdarmvorfall
ohne erhebliche Beschwerden, geringe Blutungsneigung
klein, reponierbardiv
0-10
sonst
Afterschließmuskelschwäche
mit seltenem, nur unter besonderen Belastungen
auftretendem, unwillkürlichem Stuhlabgang
klein, reponierbardiv
10
sonst
Funktionsverlust des Afterschließmuskels
sonst
Fistel in der Umgebung des Afters
geringe, nicht ständige Sekretion
klein, reponierbardiv
10
sonst
Künstlicher After
mit guter Versorgungsmöglichkeit
klein, reponierbardiv
50
sonst (z.B. bei Bauchwandhernie, Stenose, Retraktion, Prolaps,
Narben, ungünstige Position)
60-80
Bei ausgedehntem Mastdarmvorfall, künstlichem After oder stark sezernierenden
Kotfisteln, die zu starker Verschmutzung führen, sind ggf. außergewöhnliche seelische
Begleiterscheinungen zusätzlich zu berücksichtigen.
10.3 Krankheiten der Leber, Gallenwege und Bauchspeicheldrüse
Der GdS für Krankheiten der Leber, der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse
wird bestimmt durch die Art und Schwere der Organveränderungen sowie der
Funktionseinbußen, durch das Ausmaß der Beschwerden, die Beeinträchtigung des
Allgemeinzustandes und die Notwendigkeit einer besonderen Kostform. Der serologische
Nachweis von Antikörpern als Nachweis einer durchgemachten Infektion
(Seronarbe) rechtfertigt allein noch keinen GdS.
10.3.1 Chronische Hepatitis
Unter dem Begriff „chronische Hepatitis“ werden alle chronischen Verlaufsformen
von Hepatitiden zusammengefasst (früher: „chronische Hepatitis ohne Progression“
und „chronische Hepatitis mit Progression“
). Dazu gehören insbesondere die Virus-, die
Autoimmun-, die Arzneimittel- und die kryptogene Hepatitis.
Die gutachtliche Beurteilung einer chronischen Hepatitis beruht auf dem klinischen
Befund einschließlich funktionsrelevanter Laborparameter, auf der Ätiologie
sowie auf dem histopathologischen Nachweis des Grades der nekro-inflammatorischen
Aktivität (Grading) und des Stadiums der Fibrose (Staging). Zusätzlich
sind engmaschige Verlaufskontrollen und die Beachtung der Differentialdiagnose
erforderlich. Dies gilt auch für geltend gemachte Verschlimmerungen im Leidensverlauf.
Der GdS und die Leidensbezeichnung ergeben sich aus der nachfolgenden
Tabelle, wobei bereits übliche Befindlichkeitsstörungen – nicht aber extrahepatische
Manifestationen – berücksichtigt sind.
Chronische Hepatitis
ohne (klinisch-) entzündliche Aktivität
ehemals: chronische Hepatitis ohne Progression
mit geringer (klinisch-) entzündlicher Aktivität
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, gering entzündliche Aktivität
mit mäßiger (klinisch-) entzündlicher Aktivität
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, mäßig entzündliche Aktivität
mit starker (klinisch-) entzündlicher Aktivität
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, stark entzündliche Aktivität
je nach Funktionsstörung
Alleinige Virus-Replikation („gesunder Virusträger“)
bei Hepatitis-C-Virus nur nach histologischem Ausschluss einer Hepatitis.
Die histopathologische Bewertung der chronischen Virushepatitis umfasst die nekroinflammatorische
Aktivität (Grading) und den Grad der Fibrose (Staging). Der GdS
ergibt sich aus folgender Tabelle, wobei die genannten GdS-Werte die üblichen
klinischen Auswirkungen mit umfassen.
Anmerkung:
Die Auswertung des histologischen Befundes soll sich an dem modifizierten histologischen
Aktivitätsindex (HAI) ausrichten. Eine geringe nekro-inflammatorische
Aktivität entspricht einer Punktzahl von 1 bis 5, eine mäßige nekro-inflammatorische
Aktivität einer Punktzahl von 6 bis 10 und eine starke nekro-inflammatorische
Aktivität einer Punktzahl von 11 bis 18. Eine fehlende bzw. geringe Fibrose
entspricht einer Punktzahl 0 bis 2, eine mäßige Fibrose der Punktzahl 3 und eine
starke Fibrose einer Punktzahl von 4 bis 5.
Für die Virushepatitis C gelten bei fehlender Histologie im Hinblick auf die chemischen
Laborparameter folgende Besonderheiten:
ALAT-/GPT-Werte im Referenzbereich entsprechen bei nachgewiesener Hepatitis-
C-Virus-Replikation einer chronischen Hepatitis ohne (klinisch-) entzündliche
Aktivität.
ALAT-/GPT-Werte bis zum 3-fachen der oberen Grenze des Referenzbereichs
entsprechen einer geringen (klinisch-) entzündlichen Aktivität.
ALAT-/GPT-Werte vom 3-fachen bis zum 6-fachen der oberen Grenze des
Referenzbereichs entsprechen einer mäßigen (klinisch-) entzündlichen Aktivität.
ALAT-/GPT-Werte von mehr als dem 6-fachen der oberen Grenze des Referenzbereichs
entsprechen einer starken (klinisch-) entzündlichen Aktivität.
Diese Bewertungen sind nur zulässig, wenn sie sich in das klinische Gesamtbild des
bisherigen Verlaufs einfügen.
10.3.2 Fibrose der Leber ohne Komplikationen
0-10
Leberzirrhose
kompensiert
inaktiv
gering aktiv
stärker aktiv
dekompensiert (Aszites, portale Stauung,
hepatische Enzephalopathie)
10.3.3 Fettleber (auch nutritiv-toxisch) ohne Mesenchymreaktion
0-10
Toxischer Leberschaden
Der GdS ist je nach Aktivität und Verlauf analog zur chronischen Hepatitis
oder Leberzirrhose zu beurteilen.
Zirkulatorische Störungen der Leber (z.B. Pfortaderthrombose)
Der GdS ist analog zur dekompensierten Leberzirrhose zu beurteilen
Nach Leberteilresektion ist der GdS allein davon abhängig, ob und wieweit
Funktionsbeeinträchtigungen verblieben sind.
10.3.4 Nach Entfernung eines malignen primären Lebertumors
ist in den
ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten;
GdS während
dieser Zeit
100
Nach Lebertransplantation
ist eine Heilungsbewährung abzuwarten
(im Allgemeinen zwei Jahre);
GdS während dieser Zeit
Danach selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung
der erforderlichen Immunsuppression
10.3.5 Primäre biliäre Zirrhose, primäre sklerosierende Cholangitis
GdS ist je nach Aktivität und Verlauf analog zur chronischen Hepatitis oder
Leberzirrhose zu beurteilen.
Gallenblasen- und Gallenwegskrankheiten
(Steinleiden, chronisch rezidivierende Entzündungen)
mit Koliken in Abständen von mehreren Monaten,
Entzündungen in Abständen von Jahren
mit häufigeren Koliken und Entzündungen sowie mit
Intervallbeschwerden
mit langanhaltenden Entzündungen oder mit
Komplikationen
Angeborene intra- und extrahepatische Transportstörungen der
Galle
(z.B. intra-, extrahepatische Gallengangsatresie), metabolische
Defekte (z.B. Meulengracht-Krankheit)
ohne Funktionsstörungen, ohne Beschwerden
mit Beschwerden (Koliken, Fettunverträglichkeit, Juckreiz),
ohne Leberzirrhose
mit Leberzirrhose
mit dekompensierter Leberzirrhose
60-100
Folgezustände sind zusätzlich zu bewerten.
Verlust der Gallenblase
ohne wesentliche Störungen
bei fortbestehenden Beschwerden wie bei Gallenwegskrankheiten
Nach Entfernung eines malignen Gallenblasen-, Gallenwegsoder
Papillentumors
ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung
abzuwarten;
GdS während dieser Zeit
bei Gallenblasen- und Gallenwegstumor
bei Papillentumor
10.3.4 Nach Entfernung eines malignen primären Lebertumors
ist in den
ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten;
GdS während
dieser Zeit
100
10.3.6 Chronische Krankheit der Bauchspeicheldrüse (exkretorische Funktion)
je nach Auswirkung auf den Allgemeinzustand, Häufigkeit und Ausmaß der
Schmerzen
ohne wesentlichen Beschwerden, keine Beeinträchtigung
des Kräfte- und Ernährungszustandes.
geringe bis erhebliche Beschwerden, geringe bis mäßige
Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes
20-40
starke Beschwerden, Fettstühle, deutliche bis ausgeprägte
Herabsetzung des Kräfte- und Ernährungszustandes..
50-80
Nach teilweiser oder vollständiger Entfernung der Bauchspeicheldrüse sind ggf.
weitere Funktionsbeeinträchtigungen (z.B. bei Diabetes mellitus, Osteopathie,
oder infolge chronischer Entzündungen der Gallenwege, Magenteilentfernung und
Milzverlust) zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach Entfernung eines malignen Bauchspeicheldrüsentumors
ist in den ersten fünf
Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten;
GdS während dieser Zeit.